Hans-Peter und ein Friedhof ist kein HundeWC

Mit der Veröffentlichung des Beitrages „Hans-Peter und ein Friedhof ist kein HundeWC“ als Folge 3 der Reihe unserer geschätzten Kollegin Nicole Kubenka von der Friedhofsverwaltung der Stadt Sassnitz möchten wir als Bestattungsinstitut Gotha dazu beitragen, die auf nette Art dargestellten Alltagsprobleme auf den Friedhöfen unseres Landes in die Gegenwart zurückzuholen und zum Nachdenken anzuregen. Erneut ein angenehmes Lesen wünscht Ronald Häring, Geschäftsführer.

Hans-Peter und ein Friedhof ist kein HundeWC

Die Urnentrauerfeier ist vorbei und ich bin gerade dabei das Grab zu schließen, als ich meinen gefiederten Freund erneut bemerke.
Hans-Peter ist immer in meiner Nähe und hat natürlich auch den Gang zum Grab dezent begleitet, immer auf respektvoller neugieriger Distanz. Unbemerkt von den Trauernden, leise von Baum zu Baum huschend.
Dennoch bleibt mir nicht verborgen, wie aufgeregt der kleine Kerl doch ist. Welche Fragen ihm wohl heute unter den Federkielen brennen. Versteckt ungeduldig tippelt er auf den Ästen hin und her, wartet, beobachtet. Kein Laut, kein Flattern ist zu hören, weder von ihm noch von seiner Familie, welche etwas Abseits in der großen Buche sitzt und still, fast reglos den Trauerzug und die Beisetzung beobachtet. „Oha“, denke ich, das scheint wichtig zu sein, wenn die ganze Familie bereits anwesend ist und geduldig wartet.
Als das Grab fertig geschlossen ist, die zahlreichen Blumengestecke und Sträuße angeordnet sind, gibt`s kein Halten mehr für ihn. Noch bevor er losfliegt, kann ich das aufgeregte Krächzen hören und so gleich das hektische Rascheln seines Gefieders über meinem Kopf.
Hans-Peter steuert auf den Traktor zu, den er den grün-gelben Drachen nennt. Er ist schnell, sehr schnell – zu schnell. „Das wird eng“ denke ich noch, da rauscht er bereits heran, an mir vorbei und will auf der Motorhaube landen. Es hat aber die ganze Zeit geregnet und selbige ist nass. Hans-Peter hat das offensichtlich nicht mit einkalkuliert oder es ist ihm in seiner liebevoll ungeduldigen Art entgangen. Als er seinen Fehler bemerkt, ist es zu spät. So muss ich mit ansehen, wie er beim Landeanflug sehr zügig über die Motorhaube rutscht. Hektisch rudert er mit den Flügeln, um doch noch das Tempo zu drosseln. Vergeblich. Ein ganz leises Quietschen ist zu hören, beim Versuch sich auf dem nassen glatten Untergrund festzukrallen. Er dreht sich einmal fast um die eigene Achse und verschwindet mit einem dezenten „fuump“ in der nahegelegenen Hecke. Ein bis drei Federn und Blätter gleiten sanft zu Boden. „Uiihh“ entfährt es mir und obwohl ich das aufsteigende Lachen nur schwer unterdrücken kann, frage ich so ernst es geht: „Hans-Peter, geht es Dir gut? Hast Du Dir wehgetan?“ Es raschelt, ein gekrächzt genuscheltes „hhmmnnneenneee“ ist zu vernehmen. Während es weiterhin im Gebüsch rumpelt und wackelt kann ich allerlei Flüche und undeutliches Schimpfen hören. Dann kullert er aus der Hecke – mit allerlei Buschwerk im Gefieder – und schaut mich fassungslos mit offenem Schnabel an.
Ich kann noch einen leisen Seufzer vernehmen, dann gibt es für mich kein Halten mehr und ich gebe dem Drang zu Lachen einfach nach.
Während ich der FriedhofsMenschenFrau beim Lachen fasziniert zugucke, ziehe ich mir die letzten Blätter und Zweige aus den Federn. Zwischendurch muss sie sich am grün-gelben Drachen abstützen, weil der Lachanfall sie so schüttelt. Ich kann mir nicht helfen, aber ich meine auch ein leises blechernes Kichern aus seiner Richtung zu vernehmen! „Wie ein Mensch so lange herzlich lachen kann“ denke ich und hüpfe ein Stück auf sie zu.

„Nicole?“ frage ich in der Hoffnung, dass sie mich hört. Sie hört mich, wischt sich die Lachtränen aus den Augen, atmet tief durch und fragt:
„Hans-Peter, was hast Du auf Deinem kleinen stürmischen Herzen?“ (sichtlich um Fassung bemüht).
Ich mache noch zwei energische Hüpfer auf sie zu und frage dann:
„Nicole, was war da gestern los. Das, was die Frau mit dem Hund zu Dir gesagt hat, klang irgendwie nicht nett, eigentlich sogar feindselig?“ bricht es aus mir heraus. Die FriedhofsMenschenFrau wischt sich die letzten Lachtränen von den Wangen und schaut mich mit ernstem Blick an. Ihr Lachen ist verstummt. Ihre Miene ist nachdenklich, fast ein wenig traurig.
„Erinnerst Du Dich noch daran, Hans-Peter, was ein Friedhof ist?“ fragt sie.
„Ja natürlich!
Ein Friedhof ist ein Ort, an dem Menschen zur letzten Ruhe gebettet werden.
Ein Ort, an dem Angehörige um die Liebsten trauern und deren Leben gedenken können.
Ein Ort der Begegnung.
Ein Ort der Erinnerung.
Ein Ort zum Verweilen.
Ein Ort der Stille.“, zähle ich eifrig auf.
„Richtig“, sagt sie mit einem kleinen Lächeln und setzt dann fort:
„Ein Friedhof ist zudem auch ein Ort der Erholung. Nicht nur für trauernde Angehörige, sondern auch für Spaziergänger, also auch für Jene, welche keine Angehörigen betrauern, aber dennoch gerne zum Friedhof kommen, weil sie eben die Natur und die Ruhe genießen“ erklärt sie ruhig.
„Da dürfen ihre Hunde auch mit. Stimmt´s?“ frage ich. „Das steht auch so auf beiden großen Schildern und in dem was ihr Friedhofssatzung nennt!“ füge ich hinzu.
„Ja Hans-Peter, sagt die FriedhofsMenschenFrau schmunzelnd, das ist erlaubt. Natürlich gibt es dafür kleine Auflagen. Zum Einen muss der 4-beinige Begleiter angeleint sein und zum Anderen müssen die Hinterlassenschaften vom Besitzer aufgesammelt und ordentlich entsorgt werden.“ erklärt sie.
„Du meinst den Hundekot?!..“ stelle ich eher fest als das ich frage.
„Genau.“ antwortet sie.
„..aber wir haben beobachtet, dass viele Menschen mit ihren Hunden hierherkommen um – wie ihr es nennt – mit den Hunden nur Gassi zu gehen. Dann werden die Hunde von der Leine gelassen. Dann jagen sie uns oder andere tierische Mitbewohner. Dann bellen sie andere Menschen an und verrichten ihr Geschäft auf den Wegen, zwischen und sogar auf den Gräbern.“ berichte ich ganz aufgeregt. „Die meisten haben gar kein Grab hier auf dem Friedhof was sie besuchen wollen.“ füge ich hinzu.
Die FriedhofsMenschenFrau hört mir nachdenklich zu, hat die Stirn in tiefe Falten gelegt und atmet tief ein und aus. Lange sagt sie nichts. „Die Frau gestern mit dem Hund, ist eine von jenen Menschen, die du so gut beobachtet hast. Ich habe sie erneut höflich darauf hingewiesen, dass dies hier ein Friedhof ist und kein HundeWC. Diese Dame hat ihren Hund zwischen zwei Gräbern sein Geschäft verrichten lassen, ohne den Kot aufzusammeln. Nur weil ich sie zum wiederholten Mal dabei erwischt habe, hat sie schlussendlich unter Protest, lautstarken verbalen Attacken und unsachlichen Äußerungen eine Hundekottüte aus der Handtasche geholt und den Kot ihres Vierbeiners eingesammelt.“
Sie schaut mich an und lässt den Blick wieder über den Friedhof schweifen.
„Die Frau“, beginne ich, „ist kein Einzelfall?!!“ sage ich eher zu mir selbst als zur FriedhofsMenschenFrau.
Sie nickt und sagt: „Wir haben grundsätzlich nichts gegen Hunde auf dem Friedhof, sie können ja auch nichts für das Verhalten ihrer Besitzer. Daher richtet sich das Unverständnis fehlender Rücksichtnahme und Einsicht nicht gegen das Tier.“ Erklärt sie mit leichter Resignation in der Stimme.
Ich flattere vorsichtig auf die Motorhaube von Jonny, das Ding ist immer noch recht rutschig. Die FriedhofsMenschenFrau lehnt gegen die selbige und schaut mir aufmerksam, mit einem leichten Grinsen zu. Ich rücke vorsichtig in tippeligen Schritten ein wenig dichter an sie heran und lege Nicole sachte einen Flügel auf ihre Hand. Sie schaut mich an und lächelt.
„Nicole, wie kann man Euch helfen?“, frage ich aufrichtig
Sie schaut mich überrascht an und sagt dann:
„Ich habe nur den einen oder anderen kleinen Wunsch.
Ein Friedhof ist ein Ort der Begegnung.
Ein Ort der Erinnerung.
Ein Ort zum Verweilen.
Ein Friedhof ist zudem auch ein Ort der Erholung.
Nicht nur für Trauende, sondern gleichsam für Alle, mit oder ohne Hunde.
Gedenken wir unseren Verstorbenen, deren Leben und an das, was uns mit ihnen verbindet.
Gehen wir nicht nur respekt- und würdevoll mit dem Andenken und den Erinnerungen an unsere Toten um, sondern auch im Hier und Jetzt mit den Lebenden.
Miteinander.
Bringen wir einander den Respekt entgegen, den wir für uns selbst wollen.
Achten wir das, was andere geschaffen haben, damit wir uns – an welchem Ort auch immer – wohlfühlen können.
Wir können die Welt nicht verändern. Wir können sie aber – jeder nach seinen Möglichkeiten – ein kleines Stück lebenswerter machen
Freundlicher. Menschlicher.
Nichts kann uns trennen, solange uns die Menschlichkeit verbindet.

Nicole Kubenka

Hans-Peter

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